27. April 2024

Der VLB trifft…

Julia Schmadl, Landesschülersprecherin FOSBOS

  • v.l. Stellv. Landesvorsitzender Christian Wagner, Landesschülersprecherin FOSBOS Julia Schmadl, Stellv. Landesvorsitzende Sabrina Hingel

Julia Schmadl, eine junge und selbstbewusste Frau aus Osterhofen, hat sich entschieden, nicht nur ihre eigene Zukunft zu gestalten, sondern auch den Bildungsweg ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler weiterzuentwickeln. Nach ihrer Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin entschied sie sich für die Berufsoberschule und wurde dort zur Landesschülersprecherin gewählt.

Der Weg zur Landesschülersprecherin

Julia erzählt, dass sie zuerst gar nicht wusste, dass es einen Landesschülerrat gibt. So begann ihr Weg in dieses Amt eher zufällig. Doch seitdem hat sie sich mit großem Engagement für die Belange der Schülerinnen und Schüler eingesetzt. Sie setzte sich gegenüber einer vermeintlichen "Männerdomäne" durch und wurde zur Stimme der beruflichen Oberschulen Bayerns.

Der kurze Draht ins Kultusministerium

Zu Beginn der Amtszeit hatte der gesamte Landesschülerrat ein Gespräch mit Kultusministerin Anna Stolz. Diese hat mitihrem professionellen Auftreten, ihren rhetorischen Fähigkeiten, aber vor allem mit ihrer Nahbarkeit einen tiefen Eindruck bei Julia hinterlassen. Leider musste sie feststellen, dass die beruflichen Schulen in den Gesprächen immer wieder „vergessen“ werden. 

Insgesamt ist der Kontakt ins Ministerium und auch in den Landtag aber recht intensiv und ergebnisorientiert.

Die Ziele der Landesschülersprecherin
Freiere Wahl der Ausbildungsrichtung an der BOS

Aufgrund ihrer Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin musste Julia dieAusbildungsrichtung Wirtschaft und Verwaltung wählen, obwohl sie sich lieber für Sozialwesen entschieden hätte. Die Wahl der Ausbildungsrichtung freier zu gestalten war ihrerstes großes Anliegen als Landesschülersprecherin, welches demnächst umgesetzt wird.

Lehren müssen Pädagogen sein

Für Julia steht fest, dass Lehrkräfte „echte“ Pädagogen sein sollen. Fitte Pädagogen, die mit angemessenem Methodenwechsel und digitalen Medien einen schülergerechten Unterricht halten. Die zwischenmenschliche Beziehung sollte im Vordergrund stehen, der Unterricht mehr kollaborative Elemente und selbsttätige Lernphasen enthalten. Hier müsste die Lehrerausbildung reformiert werden, findet Julia. Mehr Pädagogik und Schulpraktika, z. B. in einer Art dualem Studium. Darüber hinaus sollte an den Schulen mehr Werbung für das Lehramt gemacht werden.

Achtsamkeit statt psychischer Belastung

Sorgen macht sie sich wegen der massiven Zunahme von psychischen Erkrankungen. Der Leistungsdruck spielt hier durchaus eine Rolle. Daher hat sich der Landesschülerrat dafür ausgesprochen, auf unangekündigte Stegreifaufgaben zu verzichten und statt dessen mehr angekündigte Kurzarbeiten zu schreiben.

Außerdem braucht es mehr multiprofessionelle Teams und Schulpsychologen, die nicht gleichzeitig Lehrkräfte sind. Wie soll man sich denn gegenüber einer Schulpsychologin öffnen, wenn diese dann danach als Lehrerin mit ins Klassenzimmer geht?

Religionsunterricht vs. Ethik

Demnächst hat sie einen Termin bei Kardinal Marx. Sie möchte erreichen, dass der Religionsunterricht „ethischer“ ausgerichtet ist. Julia meint, es wäre sehr viel wichtiger, gesellschaftsrelevante Problemstellungen zu thematisieren, statt Bibeltexte zu interpretieren.

Verfassungsviertelstunde

„Wir brauchen mehr politische Bildung an Schulen. Die Ergebnisse der Juniorwahlen sind alarmierend, das allgemeine Interesse an politischen Themen eher gering“ schätzt Julia ein. Die Viertelstunde findet sie in der Umsetzung schwierig. Eine volle Schulstunde alle drei Wochen zu einem aktuellen Ereignis wäre ihrer Meinung nach sinnvoller. Außerdem wären regelmäßige, inhaltliche Vorschläge des Kultusministeriums wichtig.

Absenzen

Julia wünscht sich eine einheitliche Regelung zum Absenzenwesen. Volljährige Schülerinnen und Schüler sollten selbst entscheiden können, ob sie in der Lage sind, den Unterricht zu besuchen und ob sie einen Arzt brauchen. Ein Arztbesuch um starke Menstruationsbeschwerden oder Migräne zu bestätigen erscheint ihr völlig überflüssig. Im Gegenteil, dadurch werden nur unnötige Kosten verursacht und die Praxen weiter belastet.

Erst wenn man länger als 7 Tage gefehlt hat, sollte eine Attestpflicht eine mögliche Konsequenz sein.

29-Euro-Ticket auch für Oberstufenschüler

Der Landesschülerrat setzt sich aktuell dafür ein, dass auch Oberstufenschüler das 29-Euro-Ticket bekommen können. Es scheint nicht stimmig, dass Auszubildende und Studenten das günstige Ticket bekommen und die Schüler der FOSBOS nicht. Einen Termin beim bayerischen Verkehrsminister Christian Bernreiter hat Julia bereits organisiert.

Abiturprüfungen

Da das Abitur dieses Jahr zwei Wochen früher terminiert wurde als gewöhnlich und einige Inhalte aufgrund der Pandemie nicht intensiv behandelt wurden, sollte der Zeitbonus dieses Jahr noch nicht gestrichen werden, betont Julia. 

Was der VLB noch von dir wissen möchte…
Findest du, dass die Ausstattung der Schulen zeitgemäß ist?

Ich habe sehr gute Erfahrungen mit dem Einsatz der digitalen Tafel und BayernCloud Schule gemacht. Es wäre gut, wenn dies überall Standard wäre. Natürlich müssten die Lehrkräfte entsprechend geschult werden und die Internetverbindung stabil sein. Außerdem sollten mehr digitale Übungsaufgaben angeboten werden, aber bitte mit den Lösungswegen der Lehrkraft. So kann man den Unterricht noch einmal intensiv reflektieren und zielgerichtet üben, das wäre sehr hilfreich. Auch der Einsatz von digitalen Büchern und Tablets ist sehr gewinnbringend, nicht nur, weil man dann nicht so viel tragen muss.

Wie stehst du zum Distanzunterricht?

Gerade Corona hat gezeigt, wie wichtig der Präsenzunterricht ist. Auf eine Fläche mit lauter schwarzen Kästchen zu schauen, wird auf Dauer langweilig und eher frustrierend. Teilweise ist auch die Verbindung schlecht. Man kann sich im Onlineunterricht nicht so aktiv beteiligen und es besteht die Gefahr, dass man dem Unterricht nicht mehr folgt. Ich bin für Präsenzunterricht, vor allem auch wegen deszwischenmenschlichen Aspektes.

Was sagst du zum Genderverbot?

Dazu musste ich mich schon häufig äußern. Ich bin gegen Bevormundung und finde, dass Verbote hier keinen Sinn machen. Zudem könnte die Regelung, Genderschreibweisenzwar als Fehler zu markieren, aber nicht als solche zu werten verwirren. Dadurch verliert man das Verständnis für Fehler.

Was würdest du am Fächerkanon oder an der Stundentafel an der FOSBOS ändern?

Es müsste unbedingt mehr Bezug zur aktuellen Zeitgeschichte und zu politischen Ereignissen geben. Das bräuchte mehr Raum in der Stundentafel. Vor allem in der FOS kommt das viel zu kurz.

Siehst du in der BS plus eine Konkurrenz zur BOS?

Auf keinen Fall. Ich finde es gut, dass es dieses Angebot gibt. Jeder soll den für sich passenden Bildungsweg wählen können. Das BS-plus-Angebot ist sehr anspruchsvoll, schon allein wegen der späten Unterrichtszeiten und den evtl. langen Fahrwegen zu einer anderen Berufsschule.

Hast du Interesse selbst in die Politik zu gehen?

Eigentlich möchte ich Lehrerin werden. Allerdings habe ich durch meine Arbeit im Landesschülerrat bereits interessante Angebote aus der Politik bekommen und könnte mir durchaus vorstellen, in diese Richtung zu gehen.

Wir bedanken uns bei Julia Schmadl für das offene und freundliche Gespräch und wünschen ihr für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg beim Erreichen ihrer Ziele als Landesschülersprecherin.
Sabrina Hingel und Christian Wagner