07. Januar 2021

VLB-akzente - Kommentar zur Schülertechnik

Das Pferd falsch aufgezäumt?

Johannes Münch

Ja, das waren noch die guten alten Zeiten, als Berufsschüler in technischen Ausbildungsberufen sich das Zeichenbrett von ihrer ersten Ausbildungsvergütung selbst kauften. So oder ähnlich argumentierte vor rund 20 Jahren ein Berufsschulkollege der damaligen Zentralstelle für Computer im Unterricht Augsburg in Sachen Schüler-Laptop. Wenn man die heutige Pandemiesituation mit Präsenz-, Hybrid- und Distanzunterricht ohne geeignete Schülerendgeräte betrachtet, hatte der Kollege „seherische Kräfte“. Stattdessen lernen die meisten Schüler in Hybrid und Distanz jenseits von „Laptop und Lederhose“ derzeit eingeschränkt mit ihren privaten Smartphones auf Minibildschirmen.

Schüler-Tablet, Lehrer-Laptops, Leihgeräte

Während Schüler in Skandinavien, China, Norwegen, Australien, Singapur und vielen anderen Ländern ihren Schülerordner bereits heute mit dem Tablet digital führen, im Online-Unterricht ihre Lernerfolge einheimsen und den Wechsel der Unterrichtsform in Corona-Zeiten von Präsenz auf Distanz so gut wie nicht wahrnehmen, krebsen wir deutschen/ bayerischen Schulen nach wie vor mit Guttenbergs Errungenschaften und der Kopiertechnik der 1970er-Jahre herum, ohne überhaupt wahrzunehmen, dass das digitale Zeitalter für Schulen schon lange begonnen hat.

Schule 4.0 ist heute auch in unserer weltweit führenden Bundesrepublik und im Freistaat der Standard, doch offenbar will es niemand wahrhaben. Statt kraftvoll an einem Strang zu ziehen, um digitale Schule endlich umzusetzen, ruderte beispielsweise unsere Bundesbildungsministerin nach vollmundigen Ankündigungen des Weihnachtsgeschenks „Lehrer-Laptop noch in diesem Jahr“, kürzlich wieder zurück, relativierte und schob das Eintreffen der Dienst-IT auf die lange Bank. Und wir Bayern setzen, während in Bremen (Stand Dezember) 90 000 Schüler und Lehrer ihr Schul-iPad mit Stift bereits nutzen, bei unseren 1,65 Millionen Schülern auf 120 000 Leihgeräte für besonders bedürftige Schülerinnen und Schüler. Dabei erkennen die Initiatoren nicht, dass diese Leihgeräte in drei Jahren technisch veraltet, bei normaler Beanspruchung verschlissen, damit nichts anderes als Elektroschrott sind und kein zweites Mal in den Verleih gehen werden. Man hätte sie also auch gleich verschenken können.

Zuständigkeitsdebakel

Dass sich ein z. B. 16-Jähriger in der heutigen Welt des Anspruchsdenkens schwerlich 300,– € für seine berufliche Zukunft abverlangen lässt, ist jedem, der mit dieser Altersgruppe arbeitet klar. Wohl deshalb ging ja auch der Bund mit fünf IT-Milliarden Euro Pandemie-Förderung ins Rennen, nur eben im üblichen bürokratischen Duktus und ohne zu erkennen, dass Corona vorbei sein wird, wenn die Gelder dann auf dem üblichen Dienstweg ankommen. Folglich kann bei Anwendung des geltenden Förderrechts auch der Freistaat Berlins Füllhorn nicht ausschütten und die Sachaufwandsträger ducken sich angesichts der derzeit riesigen, anderweitigen finanziellen Belastungen mit dem Verweis auf die fehlenden Fördermilliarden auch dankbar weg. Statt einen bayerischen Schul-IT-Standard zu schaffen, basteln die meisten derzeit wieder an förderalen Insellösungen.

„Milchmädchenrechnung 1: Bayern“

Bei einem Beschaffungspreis für

Mit einer Kostenbeteiligung für wohlhabende Eltern und Berufsschüler bzw. Ausbildungsbetriebe könnten diese Staatsausgaben merklich gesenkt werden.

Die

Entsprechend würde jede mangels technischer Schülerausstattung bedingte Einbuße bei der Unterrichtseffizienz um nur

Das Stift-Tablet für jeden bayerischen Schüler könnte sich also in großen Teilen schon über die verbesserte, digitale Unterrichtseffizienz innerhalb von nur wenigen Monaten rechnen. Wir Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer wollen und können in dieser Krise, wenn die Technik stimmt, mit unseren Schülern auch auf digitalen Kanälen optimal arbeiten.

„Milchmädchenrechnung 2: Deutschland“

Bei einem Beschaffungspreis für

Kurz gesagt hätten wir bei dieser Rechnung/einer solchen Beschaffung nicht nur einen Großteil der aktuell, drängenden Schulprobleme gelöst, sondern auch noch

Wenn Berlin jenseits der Länderhoheit mit so einem Corona-Notfallprogramm direkt aktiv würde, könnten vom „Restbetrag“ immer noch sehr, sehr viele Netzwerkkabel und Access Points für deutsche Schulen gekauft und installiert werden.

„Milchmädchenrechnung 3: Ausbildungsbetriebe“

Bei einem Beschaffungspreis von beispielsweise

Trotz Krise und Spardruck können sich Unternehmen diese Ausgabe auch heute noch leisten. Nur niemand, weder Schulverwaltung, Schulleitungen noch Kammern sprechen mit den Ausbildungsbetrieben und stellen ihnen diese Rechnung vor.

Folgekosten

So traurig es ist, aber schon zum Anfang der Krise wurde von Corona-Jahrgängen und Corona-Prüflingen gesprochen, und diese Jahrgänge sind jetzt mitten in dem Pandemie-Desaster. Wenn nicht jenseits des Präsenzunterrichts kraftvoll und zeitnah gegengesteuert wird, besteht durchaus die reale Gefahr zwei Schülerjahrgänge in großen Teilen zu „verlieren“. Sollte dieses dunkle Szenario so eintreten, würde es immense, gesellschaftliche Folgekosten nach sich ziehen, die mit Mitteln der Bundesagentur für Arbeit und des ESF dann aufgefangen werden müssen. Dagegen erscheinen die angeführten Ausgaben für eine kostenfreie Schüler-IT im Vergleich mehr als gering.

Einheitliche Lösungen und das bald

Der Appetit kommt ja bekanntlich beim Essen und so kann man davon ausgehen, dass wenn alle Schüler mit einem Stift-Tablet im Klassenzimmer oder zuhause sitzen,

Geht so etwas?

Auf diese Frage kann für berufliche Schulen nur mit einem klaren Ja geantwortet werden. Wir Berufsschullehrkräfte sind flexibel und ganz anderes gewohnt. Angestellte und Beamte wie wir, die sich in Pandemiezeiten mit einer Beschränkung auf zwei Haushalte mit maximal fünf Personen und häufig ungünstigen Lüftungs- bzw. Hygieneverhältnissen in den Schulhäusern Tag für Tag vor bis zu 100 unterschiedliche Haushalte/Schüler stellen, leisten bereits einen großen Beitrag in dieser Krise. Sollte die Schülertechnik dann angekommen sein, wird unser Beitrag selbstredend mit ganzer Kraft erbracht.

Die Zukunft

Ehrlich gesagt hat sich Schule schon jetzt markant verändert und es ist nicht davon auszugehen, dass es nach der Pandemie einen Weg zurück in die „gute alte Zeit“ gibt. Schon allein deshalb muss die gesamte Schulfamilie schnellstmöglich auf die Veränderungen setzen und das Unausweichliche bereits heute überzeugt angehen. Trotz „Geburtswehen“ werden wir damit unserem Anspruch auf eine Technologie- und Bildungsführerschaft in der Welt langfristig wieder gerecht und sichern das vielgepriesene Recht auf Bildung.

Sachstand Politik

Dass einzig bei den Grünen im Grundsatzprogramm vom 22. November 2020 (Seite 47) der kurze Passus „Die Lernmittel an Schulen sollen für Lernende und Lehrende frei sein, einschließlich digitaler Endgeräte, benötigter Software und Internetzugang“ zu finden ist, zeigt abschließend den politischen Nachholbedarf nahezu aller politischen Ebenen, sich zur schulischen Digitalisierung „ohne Wenn und Aber“ zu bekennen und für Deutschlands und Bayerns Bildungszukunft zügig nachzusteuern.