03. Mai 2019

Thema des Tages 03/04

Digitalisierung verändert die berufliche Bildung

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

es ist geschafft! Schon bald werden die ersten „Bundesmillionen“ aus dem langersehnten Digitalpakt auch in Bayern ankommen. Das ist dann ein guter Startpunkt für die Schulen, um richtig Fahrt aufzunehmen in ihrem Engagement zur methodisch-didaktischen Umsetzung der Digitalisierung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung.

Industrie 4.0, Wirtschaft 4.0, Pflege 4.0 oder Schule 4.0 sind mittlerweile zwar zu gängigen Begrifflichkeiten geworden, ohne dass wir davon ein einheitliches Verständnis haben. Klar ist nur, hinter diesen Begriffen steht die Digitalisierung, die bereits heute und zukünftig in noch stärkerem Maße fast alle Lebens- und Arbeitsbereiche entscheidend mitprägen wird. Oder um es mit Dieter Euler, dem St. Gallener Wirtschaftspädagogen zu formulieren: Vor diesem zeitlos modernen Prunkwort Digitalisierung sind wir an keinem Ort mehr sicher. Über kurz oder lang wird es uns nicht mehr gelingen, der Digitalisierung auszuweichen und unseren Schülerinnen und Schülern schon gar nicht. Als digital natives wachsen sie gewissermaßen natürlich in die digitale Welt hinein, während die bzw. wir Älteren als „digital immigrants“ uns als eher Fremde in dieser neuen Welt nicht selten schwertun.

Neue Berufscluster durch Digitalisierung

Ja, alle Welt redet von Digitalisierung, ich könnte auch sagen von Industrie, Wirtschaft, Pflege oder Schule 4.0, aber was dies alles für den Arbeitsalltag zukünftig bedeuten wird, wie sich Tätigkeiten, Arbeitsprozesse, Produktionsbedingungen verändern werden, das ist aktuell – wenn überhaupt – eher nur sehr vage abschätzbar. Oder anders formuliert: In dieser Angelegenheit fahren wir gewissermaßen auf Sicht.

Und trotzdem ist es – aus meiner Schul- und Verbandspraxis gesehen – extrem wichtig, sich mit den möglichen Auswirkungen der Digitalisierung im Arbeits- und Berufsleben, aber auch für die Gesellschaft insgesamt, zu beschäftigen, um so möglichst frühzeitig Entwicklungstendenzen abzuschätzen und auf die daraus resultierenden veränderten Anforderungen vorbereiten zu können. Dabei ist festzustellen, dass wir eine Unzahl von Fragen haben, aber kaum belastbare Antworten. Um es einmal konkret zu machen – aus unserer Profession, der Perspektive der Lehrkräfte an beruflichen Schulen, stellen sich z. B. folgende Fragen: Was bedeutet die Digitalisierung für die zukünftige Unterrichtsentwicklung? Und dazu gehört auch, brauchen wir ein ganz neues Unterrichtsverständnis, brauchen wir veränderte Unterrichtsmodelle, wie verändern sich die Unterrichtsmethoden usw.? Eine weitere Frage, die damit zusammenhängt, wie verändert sich die Rolle der Lehrkräfte? Und wenn wir bei den Lehrkräften sind, welche Anforderungen müssen wir an die Lehrerfort- und -weiterbildung stellen, damit die Lehrkräfte auch zukünftig ihrem Bildungsauftrag gerecht werden können? Wie sieht es aus mit den Lehrplänen, den Curricula, den Bildungsplänen für den Unterricht in der und für die digitale Welt? Wie umfangreich werden zukünftig Unterrichtsvorgaben sein, wie konkret können und dürfen sie noch sein, wie verbindlich? Wie ist die Digitalisierung im Kontext gesellschaftspolitischer, ökonomischer und ethischer Aspekte zu bewerten? Kommt da evtl. ein völlig neuer Auftrag auf die berufliche Bildung zu? Was bedeutet Digitalisierung für die Regionen, z. B. in der Oberpfalz, in Niederbayern oder in Oberfranken? Dort stellt sich diese Frage doch mit einer besonderen Dringlichkeit. Vielleicht noch etwas grundsätzlicher: Wie verändert die Digitalisierung die Berufe der kaufmännischen, der gewerblich-technischen oder der sozialpflegerischen Fachrichtungen? Werden sich die klassischen Trennungen auch zukünftig aufrechterhalten lassen, oder werden sich ganz neue Berufscluster mit für uns völlig veränderten Problemlagen herausbilden? Wieviel Fort- und Weiterbildung bzw. Umschulung wird notwendig sein, damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich auch zukünftig mit ihren Talenten und Kompetenzen in der digitalen Welt einen qualifizierten Arbeitsplatz sichern können? Und bei der Beschäftigung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht es immer auch darum, wie der Konsens für einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt gewährleistet und (soziale) Gerechtigkeit erreicht wird. Fragen über Fragen.

Erfahrungsmanagement auf Bundesebene

Zu diesen Fragen – und natürlich vielen weiteren – erhoffen wir uns von unserer VLB-Fachtagung Berufliche Bildung am 23.11.2019 in Nürnberg sowie von dem Berufsbildungskongress des BvLB am 14./15.11.2019 in Berlin, an der ein oder anderen Stelle Hinweise zu bekommen, die uns die ein oder andere Wegmarke für die weitere Entwicklungsarbeit aufzeigen werden. Bereits in wenigen Wochen sollen die schulisch-pädagogischen Aufgabenstellungen im Hinblick auf die Digitalisierung im Rahmen von zwei inhaltlich parallelen BvLB-Regionalkonferenzen in Süd- und Norddeutschland erörtert werden und damit den Bundeskongress inhaltlich vorbereiten, wovon auch unsere Fachtagung in Bayern profitieren wird. Da kommen uns die Fachkongresse von Landes- und Bundesverband gerade recht. Denn was wir jetzt brauchen, ist ein enger und lebhafter Erfahrungsaustausch, und zwar innerhalb der Kollegien, zwischen den Schulen, auch über die Bundesländer hinweg bis hin zur internationalen Ebene.

Lassen Sie uns die in der gelingenden Umsetzung der Digitalisierung liegenden Chancen nutzen, um so zu einer Weiterentwicklung der beruflichen Aus- und Weiterbildung beizutragen – das sind wir unseren Schülerinnen und Schülern schuldig!

Es grüßt Sie herzlichst
Ihr Pankraz Männlein
VLB-Landesvorsitzender