08. Januar 2021

Blick aufs Schuljahr 2021/22 richten

Jetzt Bedingungen schaffen, um Herausforderungen zu meistern

Dr. Siegfried Hummelsberger

Der Corona-Virus wird uns wohl auch im nächsten Schuljahr noch begleiten – daher ist es jetzt an der Zeit, dafür zu sorgen, dass bis zum Schuljahr 2021/22 Bedingungen geschaffen werden, unter denen die beruflichen Schulen dieser Herausforderung gerecht werden können. Im Folgenden sollen die wichtigsten „Baustellen“ kurz umrissen werden. Sicher erscheint schon jetzt, dass die Pandemie grundlegende Änderungen im Schulsystem forcieren wird.

Gerade in den Tagen, in denen ich diese Zeilen verfasse, erreichen uns die Meldungen, dass – möglicherweise schon bald – Impfschutz gegen das Corona-Virus in Sichtweite ist, ein erster Silberstreif am Horizont nach Einschätzung vieler Fachleute. Dennoch sollten wir uns nicht zu früh freuen, denn es wird noch geraume Zeit dauern, bis die hoffentlich wirkungsvollen Impfstoffe in ausreichendem Maß für die Gesamtbevölkerung zu Verfügung stehen. Absehbar ist daher bereits jetzt, da sich das erste Schulhalbjahr 2020/21 bald dem Ende zuneigt, dass wir vermutlich auch im neuen Schuljahr 2021/22 noch mit erheblichen Beeinträchtigungen im Schulbetrieb rechnen müssen. Experten gehen davon aus, dass es wohl mindestens noch bis Ende 2021 dauern könnte, bis überhaupt erst begonnen werden kann, auch breitere Bevölkerungsgruppen zu impfen.

Unser Landesvorsitzender Pankraz Männlein hat im zurückliegenden Heft im „Thema des Tages“ einen Rückblick auf das Corona-Jahr 2020 gegeben und ein erstes Resümee gezogen. Nun ist es unter diesen Bedingungen aber auch an der Zeit vorauszublicken und zu überlegen, was unternommen werden muss bzw. sollte. Klar geworden ist zumindest eines: Neben den immer wieder genannten Beispielen wie Gesundheitssystem, Infrastrukturbetriebe und Sicherheitsbehörden ist auch das Schulsystem in seiner Gänze in hohem Maße als systemrelevant zu bezeichnen: Schulschließungen belasten die Wirtschaft kollektiv, ebenso wie individuell die Familien in hohem Maße. Aus dieser Binsenweisheit ergibt sich eine hohe Verantwortung für die Bildungspolitik, die Schuladministration und die Sachaufwandsträger. Was muss nun angestoßen werden – jetzt, da noch Zeit bis zum Beginn des nächsten Schuljahres ist?

Berufliche Schulen sind anders

Zunächst einmal muss bei allen Entscheidungen und Vorschriften in Hinblick auf die Pandemie zwischen verschiedenen Schultypen deutlich stärker differenziert werden – dies gilt insbesondere für die beruflichen Schulen mit sehr großen Unterschieden bei der Schülerklientel (z. B. deren Altersstruktur usw.), den ausdifferenzierten Organisationsformen, den verschiedenen Unterrichtsformen und den jeweiligen Umgebungsbedingungen. Was für die Grundschule richtig und wichtig sein mag, ist es für die Berufsschule oder gar eine Meisterschule noch lange nicht! Wir werden viel zu oft noch über einen Kamm geschoren, wo mehr individueller Handlungsspielraum dringend nötig wäre. Unsere zumeist erwachsenen Schüler und Schülerinnen haben andere Ansprüche und können andere Herausforderungen meistern. Hier braucht die einzelne berufliche Schule deutlich mehr Handlungsspielraum und Entscheidungsfreiheit, die entsprechenden Regelwerke müssen stärker auf die beruflichen Schulen abgestimmt sein. Die bisherige Krisenbewältigung hat mehr als deutlich gezeigt, wie verantwortungsvoll die Leitungsteams an den beruflichen Schulen handeln, was auch von Kultusminister Michael Piazolo mehrfach betont wurde. Dieser Aussage sollten nun auch entsprechende Konsequenzen folgen.

Verlässliche Entscheidungen

Ganz im Gegensatz zum Vorgenannten gibt es aber auch Bereiche, in denen mehr Einheitlichkeit unbedingt wünschenswert wäre. Genannt seien hier exemplarisch die Abstimmungsbemühungen innerhalb der KMK zwischen den Länderbehörden, die selbst für entschiedene Anhänger des Föderalismus kaum noch nachvollziehbar sind. Ein mindestens ebenso großes Ärgernis sind die teils sehr widersprüchlichen Verfahrensweisen der einzelnen Gesundheitsämter, was Schulschließungen bzw. Quarantäneregelungen angeht. Es kann doch nicht vernünftig sein, wenn ein Landkreis die Lehrkräfte einer Berufsschul- Klasse in Quarantäne schickt und die Schülerinnen und Schüler nicht – und der Nachbarlandkreis genau umgekehrt verfährt. Einmal sind Lehrkräfte, die einer Klasse mit Infektionsfall unterrichteten, KP1-Fälle, ein anderes Mal kommt die Anweisung „Keine weiteren Maßnahmen nötig.“ Natürlich, alles ist kompliziert und viel ist zu bedenken – aber Anweisungen, die der Logik entbehren, verlieren auch zunehmend an öffentlicher Akzeptanz.

Tempo und Agilität in der Verwaltung

Weiterhin muss es zu einer drastischen Vereinfachung und Beschleunigung bei Verwaltungs- und Beschaffungsprozessen kommen. Das beste Beispiel sind die zur Verfügung gestellten Milliarden aus dem Digitalisierungspakt: Es ist zwar viel Geld vorhanden, aber die Rahmenbedingungen, die Vorgaben von Bundes- bis auf Kommunalebene hinab sind so zahlreich und umständlich, dass sie in der Summe zu eklatanten Verzögerungen führen – in einer Zeit, in der schnelles Handeln nötiger wäre denn je. Hier ist sicher niemand alleine „schuld“, aber wenn nicht alle zusammenwirken kann das Problem auch nicht gelöst werden. Gerade in diesem Zusammenhang müssten auch für die Vorgaben des Vergaberechts maßgenaue By-Pass-Lösungen geschaffen werden. Es ist niemandem vermittelbar, dass mitten in der Pandemie sich die Beschaffung von notwendigen Materialien um Monate verzögert, weil zuerst europaweit ausgeschrieben wird, obwohl das Vergaberecht entsprechende Ausnahmen zuließe. Wenn es brennt, braucht man das Wasser sofort – und wenn das Desinfektionsmittel ausgeht, ist selbst der normale Bestellvorgang ohne Probleme viel zu langsam. Software und digitale Infrastruktur sichern und verbessern Schule, Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern kann kein weiteres Jahr zugemutet werden, in dem eine ständige Unsicherheit herrscht, ob und wie lange die so dringend benötigten Voraussetzungen für digitale Kollaboration zur Verfügung stehen und ordnungsgemäß funktionieren. Es ist dringend geboten, trotz der bestehenden (und teils auch berechtigten) Bedenken die MS-Teams-Software-Lösung so lange zu verwenden, bis ein adäquater Ersatz zur Verfügung steht, erprobt ist und reibungslos funktioniert. Generell muss überlegt werden, ob die Bundesländer im Verbund nicht eher die Datenschutzprobleme gemeinsam mit dem Hersteller lösen könnten, bevor jedes Bundesland auf eigene Faust Eigenentwicklungen forciert – in den Niederlanden ist ersteres dem Vernehmen nach gut gelungen, auch viele Universitäten arbeiten mit dieser Software. Am Ende stehen sonst vielleicht 16 unterschiedliche Lösungen für kollaborative Schul-Software, von denen nach mehreren Jahren eine ganze Reihe nicht funktionieren – erinnert sei in diesem Zusammenhang an die komplexen Probleme bei Schulverwaltungsprogrammen. Neben der Software braucht es selbstverständlich weiterhin einen zügigen Ausbau der digitalen Infrastruktur, insbesondere leistungsfähiger Netze und eine ausreichende personelle Unterstützung durch entsprechende Spezialisten sowie eine angemessene Ausstattung mit Endgeräten bei Lehrkräften und Lernenden.

Rechtliche Absicherung bei digitalen Unterrichtsformen

Digital gestützter Distanzunterricht in großem Umfang ist als reguläre Form noch weitgehend neu. Dementsprechend fehlen schulrechtliche und dienstrechtliche Regelungen. Auch daran müsste bereits jetzt gearbeitet werden, damit am nächsten Schuljahresbeginn Regelungen in Kraft treten können, die den Bedürfnissen der Schüler und Schülerinnen wie denen des Lehrpersonals gerecht werden. Eine frühzeitige Einbindung der Personalvertretungen erscheint unumgänglich. Ein Augenmerk sollte dabei insbesondere auf die Referendarinnen und Referendare gelegt werden, die unter der Rechtsunsicherheit leiden.

Pädagogik, Didaktik und Methodik

Bislang verstand man das Thema „Digitalisierung“ überwiegend so, dass digitale Medien in Ergänzung zu traditionellen Medien während des Präsenzunterrichts eingesetzt werden, z. B. interaktive Whiteboards. Die Pandemie hat gezeigt, dass das viel zu kurz gedacht ist. Pädagogik, Didaktik und Methodik des Distanzunterrichts erfordern bei den Lehrkräften (und übrigens auch bei den Lernenden) neue Kompetenzen. Die ALP Dillingen hat hier in kurzer Zeit bemerkenswert viel geleistet, aber verständlicherweise überwiegend unter dem Motto „How-to-do“ zunächst technische Aspekte in den Fokus gestellt. Die Fortbildungsbereitschaft der Lehrkräfte ist enorm: Alleine am 18.11.2020 (Buß- und Bettag) haben rund 16 000 bayerische Lehrkräfte digitale Fortbildungen besucht! Noch bliebe Zeit, sich in Hinblick auf das kommende Schuljahr bei großen Flächenländern (z. B. Kanada, Australien) mit zum Teil Jahrzehnte langer Erfahrung im Distanzunterricht das eine oder andere abzuschauen, was didaktische und methodische Aspekte angeht. Vorstellbar wäre aus unserer Sicht, entsprechende Fortbildungen einzufordern und im Gegenzug z. B. mit einer Anrechnungsstunde für 2021/22 zu honorieren.

Prüfungen, Noten Abschlüsse

Mehr Verlässlichkeit bräuchte es auch bei den Themen Prüfungen, Noten, Abschlüsse. Konnte man im zurückliegenden Schuljahr noch verstehen, dass es wegen der notwendigen, oft nur ad-hoc-getriebenen Entscheidungen große Belastungen für Prüflinge wie auch Prüfende gab, ist die Erwartungshaltung für das Jahr 2021 sicherlich eine andere. Es bedarf einer frühzeitigen Abstimmung, einer klaren Kommunikation und dem Bereithalten jeweiliger B-Pläne für den Ernstfall. Uns ist bewusst, dass es leichter ist, diese Forderung zu stellen, als sie auch umzusetzen – dennoch sollte eine klare Planung mancherlei Probleme vermeiden, die es letztes Jahr gab und teilweise weiterhin noch gibt. Als sehr positiv zu werten ist z. B. die kürzlich erteilte Erlaubnis, zwei Wochen vor den Abschlussprüfungen in Distanz zu unterrichten, um Prüfungsteilnahmen nicht zu gefährden. In dieser Hinsicht sind gerade im beruflichen Bereich auch die Kammern in der Pflicht.

Nachhaltiger Gesundheitsschutz

Je länger die Pandemie andauert, umso wichtiger wird das Thema Gesundheitsschutz. Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler sind im so genannten Regelunterricht zumindest potenziell gefährdet wie nur wenig andere Gruppen: 30 Personen über Stunden hinweg in einem Raum ohne Einhaltung der Minimalabstände – das würde in anderen öffentlichen Kontexten einen Polizeieinsatz auslösen. Viele zynische Kommentare wurden bereits darüber gemacht, dass vor allem kostengünstige Maßnahmen empfohlen werden („Lüften, Lüften, Lüften“). Immerhin hat die bayerische Staatsregierung Gelder für technische Hilfsmittel zur Verfügung gestellt – für die Masse der Schulen mutmaßlich zu wenig. Nach wie vor gibt es Sachaufwandsträger, die selbst von Experten empfohlene technische Schutzmaßnahmen rundum ablehnen.

Der VLB stellt fest:

Wie jeder andere Arbeitnehmer haben auch Lehrkräfte einen arbeitsrechtlich verbürgten Anspruch darauf, dass ihr jeweiliger Arbeitgeber alle vermeidbaren Gesundheitsgefährdungen ausschließt und wo dies nicht möglich ist, geeignete Sicherheitsvorkehrungen trifft: „Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben. […] Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen.“ (§ 3 ArbSchG, Grundpflichten des Arbeitgebers) Wäre es anders, dann sind die vielen in der zurückliegenden Zeit mit hohem Aufwand durchgeführten Gefährdungsbeurteilungen nichts anderes als eine überflüssige, zusätzliche Arbeitsbelastung.

Unbedingt verbessert werden müssen weiterhin auch die Umstände der Schülerbeförderung. Was nützen die besten Hygienekonzepte im Schulhaus selbst, wenn die Schülerinnen und Schüler in den Verkehrsmitteln auf dem Schulweg zusammengepfercht sind wie die sprichwörtlichen Ölsardinen? Ein Übriges tun besorgte Eltern (und leider auch vereinzelte Kolleginnen und Kollegen), die sogar die Maskenpflicht in Frage stellen.

Arbeitsbelastung an der Grenze des Unerträglichen

Die Unterrichtspflichtzeit bei Lehrkräften ist im Wesentlichen noch immer die gleiche wie im Kaiserreich Ende des vorletzten Jahrhunderts; in diesem Zeitraum hat sich die Arbeitszeit in der Industrie fast halbiert, diejenigen der (Verwaltungs-) Beamten sank von 48 auf 40 Stunden (nach Klemm 1996). Alle Arbeitszeitstudien weisen auf die hohe Arbeitsbelastung von Lehrkräften hin. Unzweifelhaft hat sich für die große Mehrheit der Lehrkräfte durch die Pandemie nochmals eine zusätzliche Belastung ergeben – ungeachtet der wenigen angeblichen „schwarzen Schafe“, über die gelegentlich berichtet wird. Der VLB warnt eindringlich davor, dass viele Lehrkräfte, Verwaltungskräfte und Schulleitungs-Teams besonders an den beruflichen Schulen der andauernden Überbeanspruchung bei einer Fortdauer der Belastung über das ganze Schuljahr hinweg und möglicherweise bis ins nächste hinein nicht mehr gewachsen sein könnten. Eine zeitliche Entlastung beim Deputat im kommenden Schuljahr wäre zumindest eine Anerkennung der außerordentlichen Leistungen an vielen beruflichen Schulen, so wie dies in anderen hochbelasteten Berufsgruppen z. B. durch die „Corona-Prämie“ ausgedrückt wurde und wird.

Langfristig gedacht

Natürlich wird die Pandemie – hoffentlich bald – auch vorübergehen. Dennoch wäre es leichtfertig, einfach wieder zum „wie gehabt“, zum „status quo ante“ zurückzukehren. Eine der langfristigen Lehren der „Corona-Epoche“ muss es sein, zu erkennen, dass die bisherige Praxis, das Schulsystem immer nur mit den benötigten Minimal-Ressourcen auszustatten, zwar Minister, Kämmerer und Steuerzahler gleichermaßen erfreut, aber eben auch dazu führt, dass das Gesamtsystem Schule nicht ausreichend krisenfest ist – im Einzelfall und erst recht flächendeckend. Personal, das nicht einmal ausreicht, um selbst im Normalbetrieb den Pflichtunterricht abzudecken; überstrapazierte Raumkapazitäten und unzureichende Raumgrößen; teils Hygieneausstattungen, die bei jeder Gaststätte zur sofortigen Schließung durch das Gesundheitsamt führen würden – man könnte noch vieles, vieles mehr anführen. Der Rotstift aus der Finanzabteilung darf nicht mehr länger das einzige Instrument sein, das die Schulverwaltung in die Hand bekommt, um den Lehrkräftebedarf zu berechnen oder das Schulbaufinanzierungsgesetz zu schreiben. Wer immer mit dem letzten Tropfen Sprit kalkuliert, muss sich nicht wundern, wenn er beim Stau auf der Autobahn liegen bleibt. Viele Kommunen, die als Sachaufwandsträger und/oder Schulträger tätig sind, kürzen bereits jetzt im Bildungsbereich, weil ihnen die Steuereinnahmen wegen der Pandemie wegbrechen. Davon sind die beruflichen Schulen überproportional betroffen. Eine temporäre Aufstockung des Lehrpersonalkostenzuschusses könnte hier dringend notwendige Entlastung verschaffen.

Katapult ins 21. Jahrhundert?

Vielerorts hört man derzeit banale Aussagen: In jeder Krise steckt eine Chance – „Die Chinesen haben das gleiche Schriftzeichen für „Krise“ und ‚Chance‘“ (angeblich!) und dergleichen möglicherweise richtige, aber nichtsdestoweniger banale Sätze. Geschenkt, die beruflichen Schulen haben laufende Veränderungen und Anpassungen seit jeher in ihrer DNS, das wissen wir alle. Die Wahrheit ist aber auch: Epochenveränderungen sind fast immer disruptiv. Im Schulsystem haben sich viele Grundsätze des Betriebs aus dem 19. Jahrhundert wenig verändert erhalten, bei den beruflichen Schulen wahrscheinlich eher weniger als bei anderen Schularten. Die Pandemie zwingt uns alle nun zu einem sehr großen Sprung. Sorgfältig werden wir abwägen müssen, was erhaltenswert ist (zentral: die unmittelbare, persönlich orientierte Arbeit an und mit den Lernenden) und was veränderungsbedürftig erscheint (alle lernen das Gleiche zur selben Zeit am gleichen Ort) oder neu was ausgehandelt werden sollte (Stichwort Lehrerarbeitszeit). Dieser schwierige Prozess wird uns alle sicherlich noch viel länger begleiten als die gegenwärtige Pandemie. Corona mag diesen Prozess nach einem langen Reformstau zwingend angestoßen haben, aber alleine ursächlich ist dieser Virus keineswegs.

Schule 4.0?

Als Ende des 19. Jahrhunderts auch die Berufsbildung den Paradigmenwechsel von handwerklich-zunftorientierten hin zu industriellen geprägten Prozessen nachvollziehen musste, waren die von Kerschensteiner und anderen Arbeitspädagogen angestoßenen Reformen ausschlaggebend für eine Modernisierung. Nun steht immer mehr der Epochenwandel von den traditionellen hin zu digital organisierten Arbeitsprozessen an – und es zeigt sich überdeutlich, dass das „System Schule“ als Ganzes betrachtet trotz aller Bemühungen vor Ort an den einzelnen Bildungsstätten noch enormen Nachholbedarf hat. Bei diesen Bemühungen – davon gehe ich aus – sind die beruflichen Schulen Taktgeber und Vorreiter. Wer die Technologie der Industrie 4.0, der digitalen Transformation zu unterrichten vermag, kann auch Schule 4.0 organisieren, wenn die notwendigen Ressourcen gewährleistet sind. Sicherlich ist diese Entwicklung eine gute Gelegenheit, die Berufsbildung in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen und wir alle können dazu beitragen. Für uns als Berufsbildner muss die Frage also auch lauten, ob im übertragenen Sinn gesprochen Covid-19 nicht der „Kerschensteiner des 21. Jahrhunderts“ ist?

Der VLB, liebe Leserinnen und Leser, wird sich wie immer mit Kompetenz, Engagement und Tatkraft (oder mit Pestalozzi gesprochen: mit Kopf, Herz und Hand) an dieser Diskussion beteiligen.