VLB-akzente 10/2023
OECD-Bildungsbericht mit Schwerpunkt berufliche Bildung fordert Bildungswende
ZDH-Präsident: „Berufliche Bildung wurde vernachlässigt“
Zum wiederholten Male forderte dunser Bundesverband verstärkte Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der dualen Berufsausbildung. So z. B. auch am 1. Juni 2023 in einer Pressemitteilung1:
Der Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung ist mehr als alarmiert wegen des schleppenden Anlaufens der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen für eine duale Berufsausbildung zum Ausbildungsjahr 2023/24. Diese Entwicklung, die bereits im vor kurzem veröffentlichten Berufsbildungsbericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für 2022 festgestellt wurde, scheint sich offensichtlich fortzusetzen.
So lag die Zahl der Neuabschlüsse im Bereich der dualen Berufsausbildung für das Jahr 2022 noch um fast 10 Prozent niedriger als im Vor-Corona-Jahr 2019. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Neuzugänge im Übergangssektor um mehr als sechs Prozent erhöht. „Diese Entwicklung ist äußerst besorgniserregend und verdeutlicht die weiter anhaltenden Herausforderungen, mit denen die berufliche Bildung in Deutschland konfrontiert ist“, so die beiden BvLB-Bundesvorsitzenden Pankraz Männlein und Dr. Sven Mohr unisono.
Der BvLB betont, dass die duale Berufsausbildung ein unverzichtbarer Pfeiler des deutschen Bildungssystems und für eine qualifizierte Fachkräftesicherung von entscheidender Bedeutung ist.
Der in diesem Zusammenhang formulierte innovative Ansatz von BIBB-Präsident Esser, integriert-durchgängige Aus- und Weiterbildungsberufe zu etablieren, wird durch den BvLB nachhaltig unterstützt. Dadurch bietet sich eine kontinuierliche Qualifizierung und ermöglicht so einen nahtlosen Übergang zwischen verschiedenen Bildungsabschnitten.
Der BvLB sieht darin eine zielführende Möglichkeit, die duale Berufsausbildung attraktiver zu gestalten und die Anpassungsfähigkeit an die sich wandelnden Anforderungen des Arbeitsmarktes zu verbessern.
Gleichzeitig weist der BvLB an dieser Stelle auf die Bedeutung der Berufsorientierung hin. Eine frühzeitig einsetzende und langfristig angelegte Berufsorientierung ist ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Platzierung von Jugendlichen in der dualen Berufsausbildung. Es ist wichtig, dass Schülerinnen und Schüler bereits während ihrer Schulzeit umfassende Einblicke in verschiedene Berufsfelder erhalten und sich fundiert informiert für eine passende Ausbildung entscheiden können. Dadurch werden auch Ausbildungsabbrüche vermieden.
Der BvLB fordert daher verstärkte Maßnahmen seitens der Politik und der Kammern, um die duale Berufsausbildung zu stärken und so einen Beitrag zum Abbau des Fachkräftemangels zu leisten. Dazu gehören die gezielte Förderung von Ausbildungsplätzen, die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Auszubildende und Ausbildungsbetriebe sowie eine verstärkte Unterstützung bei der Berufsorientierung an den Schulen.
„Nur durch eine konzertierte Anstrengung aller Berufsbildungsakteure können wir die berufliche Bildung in Deutschland nachhaltig verbessern und den jungen Menschen optimale Startchancen bieten“, so die beiden Bundesvorsitzenden abschließend.
OECD-Bildungsbericht mit dem Schwerpunkt berufliche Bildung
Wie berechtigt der Satz „Nur durch eine konzertierte Anstrengung aller Berufsbildungsakteure können wir die berufliche Bildung in Deutschland nachhaltig verbessern und den jungen Menschen optimale Startchancen bieten“, belegte dann im September der OECD-Bildungsbericht mit dem Schwerpunkt berufliche Bildung. Darin wird der Ruf nach der Gleichwertigkeit der beruflichen mit der akademischen Bildung zum wiederholten Male lautstark gefordert. So war u. a. unter www.sueddeutsche.de zu lesen: „OECD-Studie: Mehr junge Deutsche bleiben ohne Abitur„ – Knapp 40 Prozent entscheiden sich für berufliche Bildung. Trotz Fachkräftemangels lernen insgesamt weniger junge Menschen einen Beruf. Jeder sechste junge Erwachsene ist geringqualifiziert … Auch www.stern.de kommentierte den Bericht: „OECD: Schere bei Berufsbildung geht in Deutschland auseinander„ … Konkreter mit Forderungen wurde nach dem Erscheinen des Berichtes z. B. der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH):
ZDH-Präsident: „Berufliche Bildung wurde vernachlässigt“
Am 16. September war Tag des Handwerks. Im Redaktionsnetzwerk Deutschland-Interview sprach Handwerkspräsident Jörg Dittrich über die aktuelle Lage in den Betrieben und ihre Sorgen vor der Zukunft. „Wir müssen jetzt handeln“, sagte er und forderte, dass die Gleichstellung beruflicher und akademischer Bildung endlich verwirklicht wird.2 Auf die Frage, wie es zu schaffen sei „junge Menschen in die Betriebe zu bekommen“, führte Dittrich u. a. aus: „Wir müssen zunächst erst einmal wieder akademische und berufliche Bildung gleichermaßen wertschätzen. Für die Zukunftsgestaltung werden berufliche Fachkräfte zwingend gebraucht. Und wir müssen dementsprechend beide Bildungswege gleichwertig behandeln. Daher fordern wir auch eine gleichwertige Ausstattung. Es darf nicht sein, dass wir auf der einen Seite eine sanierungsbedürftige Berufsschule haben und auf der anderen Seite einen bestens ausgestatteten Hörsaal. In beiden Fällen müssen die Ausbildungsbedingungen auf dem neuesten technischen Niveau sein. Ein wichtiges Signal hin zu einer Gleichwertigkeit ist es, dass die Bauministerin inzwischen davon spricht, „junges Wohnen“ für Auszubildende zu verbessern, und nicht länger nur Studentenwohnheime meint.
ZHD-Generalsekretär: „Berufliche Bildung muss gestärkt werden“
„Der aktuelle OECD-Bericht „Bildung auf einen Blick“ mit dem diesjährigen Schwerpunkt auf der beruflichen Bildung unterstreicht einmal mehr die Notwendigkeit einer Bildungswende und einer politisch wie gesellschaftlich flankierten Stärkung der beruflichen Bildung. Als Handwerk teilen wir das Fazit des OECD-Berichtes, wonach das System der dualen beruflichen Ausbildung in Deutschland hervorragend ist, jedoch ausreichend Nachwuchskräfte fehlen. Die Zahlen der OECD belegen, dass der Fachkräftesicherung über die berufliche Bildung mehr gesellschaftliche Wertschätzung entgegengebracht werden muss, die dann auch in konkretes politisches Handeln münden muss. Die OECD-Studie muss daher dringender Anlass sein, dass Bund und Länder die berufliche Ausbildung stärken und ihre Priorität darauf legen, die noch offenen Ausbildungsplätze zu besetzen. Im Handwerk gibt es aktuell noch über 31 000 offene Ausbildungsplätze, das sind tausendfach ungenutzte Bildungs- und Karrierechancen für junge Menschen.
Mit Sorge blickt das Handwerk jedoch auf die von der OECD festgestellte „Bildungspolarisierung“ in Deutschland: Nicht nur der Anteil der Höherqualifizierten, wie etwa Hochschulabsolventen, steige, sondern auch der Anteil der Geringqualifizierten. Hier setzt das Handwerk bereits mit erfolgreichen Maßnahmen an, wie mit der abschlussorientierten Nachqualifizierung durch Teilqualifikationen für über 25-Jährige, mit Einstiegsqualifizierungen, mit Assistierter Ausbildung sowie mit dem Programm VerA (Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen). Allerdings verliert die betriebliche Ausbildung deutlich an Boden. In diesem Qualifikationsbereich sind derzeit nur noch 38 Prozent der 25bis 34-Jährigen und damit deutlich weniger als noch 2015 mit 51 Prozent. Um die berufliche Ausbildung zu stärken, brauchen wir daher in Deutschland dringend eine Bildungswende. Das heißt vor allem eine immer auch die Optionen der beruflichen Bildung einschließende Berufsorientierung an Gymnasien, eine bessere Begabtenförderung in der beruflichen Bildung sowie eine hochwertige Ausstattung unserer Bildungszentren. Denn nur mit beruflich qualifizierten Handwerkerinnen und Handwerkern können die anstehenden Transformations- und Modernisierungsaufgaben von der Energie- bis zur Klimawende gelingen.“ //
1 www.bvlb.de/2023/06/06/ pressemitteilung-2/
2 www.rnd.de/wirtschaft/tagdes-handwerks-ueber-freieausbildungsstellen-und-die-aktuellelage-in-betriebenK2TJRJRINVBUHMKTPHO56KIVJQ.html