30. Mai 2022

Fachtagung

Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt

Im Rahmen einer Fachtagung besuchte eine Delegation des VLB die Schweiz, um sich über aktuelle Entwicklungen in der beruflichen Bildung und über Neuerungen in der digitalen Arbeitswelt seit der Corona-Pandemie zu informieren. Als erster Tagesordnungspunkt stand ein Besuch bei der KV Zürich Wirtschaftsschule an. Rektor Christian Wölfle begrüßte seine Gäste und stellte kurz die Schule vor.

Der Prorektor der Schule Andreas Bischoff zeigte in seinem Referat die wesentlichen Eckpunkte und Herausforderungen der kaufmännischen Reform aus schulischer Perspektive auf. Dabei gibt es fünf Bausteine, die auf dem Prinzip der Handlungskompetenzorientierung fußen:

  1. Handeln in agilen Arbeits- und Organisationsformen
  2. Integration in einem vernetzen Arbeitsumfeld
  3. Koordinieren von unternehmerischen Arbeitsprozessen
  4. Gestalten von Kunden- oder Lieferantenbeziehungen
  5. Einsatz von Technologien der digitalen Arbeitswelt

Weiterhin gliedert sich der neue Lehrplan nach Lernfeldern und soll kompetenzorientiert unterrichtet werden. „Leider wurden die Schulen an diesem Konzept nicht so beteiligt, wie es sich die Verantwortlichen gewünscht hätten“, so der Rektor Christian Wölfle.

Der zweite Programmpunkt an diesem Tag war der digitale Wandel an der KV Zürich. Dieser soll nach dem Leitspruch „Bewährtes adaptieren, Neues wagen…“ gestaltet werden. Eine der wichtigsten strategische Entscheidungen seit der Pandemie war die Umsetzung des Prinzips „bring your own device“. In den folgenden Bereichen soll das Potenzial der Digitalisierung genutzt werden:

  1. Cockpit-Ansatz – wie in einem Flugzeugcockpit sollen Lernende eine 360 Grad Sicht haben und Inhalte jederzeit abrufen können; dies gilt sowohl für bereits gehaltene als auch für zukünftige Stunden
  2. Single Sign On, d. h. man braucht nur noch ein Passwort und kann damit alle Anwendungen, im schulischen Kontext nutzen
  3. Nextclassroom – dies ist der Ansatz eines vollintegrierten Lern-Management-System

Am zweiten Tag fand die Fachtagung in den Räumlichkeiten der größten Fernfachhochschule der Schweiz (FFHS) statt. Michael Zurwerra, Rektor der FFHS, begrüßte die Vertreter der Verbände aus Deutschland und der Schweiz sowie den Rektor der KV Zürich. Zurwerra stellte die FFHS vor und verwies insbesondere darauf, dass „die Marke FFHS durch Kooperation und Innovation stetig weiterentwickelt wird“. Anschließend referierten Dr. Christoph Thomann, Präsident des Verbandes Berufsbildung Schweiz (BCH) sowie VLB-Landesvorsitzender Pankraz Männlein über aktuelle Entwicklungen in der Berufsbildung in Deutschland und insbesondere in Bayern. Christian Wölfle ergänzte die Ausführungen um Spezifika der kaufmännischen Berufsbildung in der Schweiz. Im Anschluss an die Vorträge besichtigten die Tagungsteilnehmer unter Führung der Baubeauftragten der FFHS, Yvonne Ganz, dass im August 2021 fertiggestellte neue Hochschulgebäude an der Gleisarena. Dieses ist nicht nur mit neuester Digital- und Unterrichtstechnik ausgestattet, sondern auch architektonisch so zukunftsweisend, dass die Planer des Gebäudes bereits mit mehreren Architekturpreisen ausgezeichnet wurden. Einen Einblick kann man über die Website der FFHS bekommen.

Am Nachmittag folgten weitere Fachvorträge. Prof. Willi Bernhard, Leiter des Bereichs Digital Engineering an der FFHS und Prof. Dr. Bodo Möslein-Tröppner von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg, stellten das spannende Projekt Digital Escape Rooms vor. Die Studierenden sind hier Produzenten und Konsumenten zugleich, da sie zum einen selbst virtuelle Räume bauen und sich um Komponenten wie Storyline, VR-Räume, Aufgaben/Rätsel sowie Hilfesysteme selbständig kümmern müssen. Gleichzeitig sind die Studierenden selbst Teilnehmer, wenn sie die Digital Escape Rooms von ihren Kommilitonen ausprobieren. „Hierbei geht es nicht nur um das Ergebnis, sondern auch um den Weg zum Ziel“, so Prof. Willi Bernhard. Den Abschluss der Fachtagung setzte Prof. Dr. Markus Dormann mit wertvollen Einblicken in das Department E-Didaktik, das er seit 2019 leitet. Insbesondere wurde das E-Assessment näher beleuchtet, da die FFHS pro Semester rund 4.000 Prüfungen komplett digital abnimmt. Die Studierenden können somit von zuhause aus ihre Prüfungen ablegen, müssen jedoch dafür einige Voraussetzungen erfüllen (Installation von MS Teams, Abfilmen des Prüfungszimmers u. v. m.). Bei technischen Problemen gibt es Mitarbeiter im Online-Support, die sich direkt mit dem Prüfungsteilnehmer verbinden können. Auch der Inklusionsgedanke kommt hier nicht zu kurz, da die Teilnehmer in ihrer gewohnten Umgebung schreiben können und sich keine Gedanken um die räumlichen Gegebenheiten machen müssen.

Am Ende der Fachtagung bedankte sich Pankraz Männlein bei den Referenten und betonte noch einmal, wie wichtig die internationale Vernetzung von Berufsbildungsinstitutionen ist. „Diese Tagung war ein gutes Beispiel dafür, wie wir voneinander lernen können und wie wichtig Kooperation in der digitalen Welt ist. Wir würden uns freuen, wenn wir diesen Austausch weiter pflegen könnten“, so Pankraz Männlein abschließend.

Autor: Dr. Jörg Neubauer