21. März 2019

12. VLB-Alpencross 2018 - Tour del Grappa Nr. 2

Hungrige Biker überfallen eine Bäckerei

Die Tour startete am Sonntag, den 5. August um 9:30 Uhr am Bahnhof von Kochel am See. 15 Teilnehmer waren angereist, darunter mittlerweile sieben mit E-Bikes. Bei herrlichen Sonnenschein quälten sich die tapferen Radler die alte Kesselbergstraße hinauf.

Die anschließende Fahrt entlang des Walchensees entschädigte die Teilnehmer für die Strapazen. Zufällig anwesende Touristen aus dem Saarland waren von der Gruppe so begeistert, dass sie den Radlern sofort eine Flasche überließen, die mit einer seltsam schmeckenden, selbst hergestellten Spirituose gefüllt war. Im weiteren Verlauf des Tages erwies sich das Getränk als effektives Dopingmittel für die zu bewältigenden Auffahrten. Weiter ging es zum Bahnhof von Klais, der 2015 auch von US-Präsident Obama besucht wurde, wo man kurz pausierte, um dann Richtung Leutasch weiterzufahren. Am Eingang der Geisterklamm nahmen wir Tiroler Hauswürste zum Mittagessen ein, um uns an die österreichische Küche zu gewöhnen. Es folgte dann eine rasante Abfahrt nach Telfs ins Inntal. Nun befuhr man den Radweg entlang des Inns bei trockenem Gegenwind. Viele Tour Teilnehmer waren gezwungen längs des Weges den gefährlichen Feuchtigkeitsverlust mit Gösser-Krügerln in Jausenstationen auszugleichen.

Abends erreichten wir Innsbruck, wo manch Biker aufgrund der Angaben verschiedener Radl-Navis erst nach mehrmaliger Umrundung des Olympiastadions das Übernachtungshotel fand. Der erste Tag wurde im wunderbaren Biergarten des `Kulturgasthofes Bierstindl´ beschlossen. Alles war wieder gut!
Horst, der wie immer auf die Einhaltung des strammen Zeitrahmens drängte, verlangte tags darauf eine Abfahrt von Innsbruck vor(!) dem Frühstück. Nach einer strammen Auffahrt Richtung Igls, auf einer deftigen Rampe mit montäglichem Berufsverkehr wurde im Örtchen Aldrans eine kleine Bäckerei entdeckt, in der auch Kaffee serviert wurde. Sofort überfielen 15 hungrige Biker den Laden und leerten das Gebäck-Sortiment. Die Tiroler Verkäuferin bediente uns mit einer Engelsgeduld und fragte sogar noch, ob sie die Kipferl bestreichen sollte...
Später, nach einer Zwangspause, verlor ich die Gruppe und schlug dann pragmatisch die Autostraße nach Matrei ein. Auf der Strecke stieß ich unter großem Hallo wieder auf das Team. Dies sollte sich auf der Tour öfter ereignen. Irgendein Biker fuhr `Extratouren´ oder glaubte Abkürzungen zu wissen und schon war die Truppe aufgespalten. Der vereinsamte Fahrer meldete sich dann per Funk bei der Tour- Geschäftsführerin Regina Stahl und man traf sich wieder unter dem Motto: „Jetzt bleim´ma´beinand“ ...(Foto)
Nachmittags war die Fahrt zum Obernberger See mit einer Überquerung des Sandjochs geplant. Nach dem der Obernberger See erreicht war, machte sich der größte Teil auf, das Joch mit Tragepassagen zu überwinden. Darunter zwei E-Bike-Fahrer ( Johann Prinz und Franz Partenhauser), die sich durch die Höhenluft eine Vergrößerung der Speicherkapazität ihrer Akkus erhofften... Horst, der schon bei der Tour Vorbereitung unangenehme Erfahrungen am Sandjoch gesammelt hatte, führte die verbleibenden Genussradler auf der kleinen Autostraße zurück. Über den Brennerradweg erreichten sie Sterzing und nahmen dort einen spät nachmittäglichen Aperol-Spritz ein. Von einem alpinen Gewitter durchnässt, stießen dann auch die stolzen Jochbezwinger zu uns...

Glühende Bremsscheiben und leere Akkus auf der Kaiseretappe

Am darauffolgenden Tag folgten wir von Sterzing aus der Eissack, bogen bei Franzensfeste auf den Pustertalradweg und verließen diesen dann zum Gadertal hin.
Friedeman Aigner wusste eine `Abkürzung´ aus früheren Zeiten. Nach einer Brücke wurde ein Feldweg verfolgt, der vorbei an mehreren Komposthäufen immer schmäler wurde. Als der Weg ins Leere lief, folgten wir einen Wanderweg zu einem Gehöft, von dort führte ein Saumpfad nach Maria Saal. Horst beschloss, des E-Bike-Schiebens unfähig, sofort auf die Autostraße zurückzufahren. Die verbliebenden E- Biker legten sofort die stärkste Unterstützungsstufe ein und zogen an den tapfer strampelnden Extrembikern vorbei.
´Kamaradenschweine!´ brüllte Hans Reich den Motorisierten zu. Bald darauf erreichten alle die Wallfahrtskirche Maria Saal. Dort zündeten wir sofort mehrere Opferkerzen als Dank für den bisherigen und als Segenswunsch für den kommenden Tour Verlauf an. Nicht ohne Wehmut passierten wir den wunderschönen Gasthof Maria Alm ohne Einkehr und folgten einer touristisch wunderbaren Straße oberhalb des Gadertales. Das ewige Auf und Ab der kleinen Fahrbahn schmälerte den Genuss etwas. Der Tour-Coach Wolfgang Ludwig musste zusätzlich zur Satelliten-Navigation das sogenannte „Papier-Navi“ (Tourenkarte von K-H Seitzinger, mit Tesafilm repariert) zu Rate ziehen. Endlich um 15:00 Uhr wurde ein kleiner Gasthof mit wunderschönem Ausblick entdeckt. Der lustige, ältere Wirt erlaubte der Tourleitung die mitgebrachte üppige Brotzeit dort zu servieren, unser Durst, der leicht erkennbar war, versprach einen ausreichenden Getränkeumsatz. “Isch des jetzt Marendn´ (Brotzeit) oda Mittagessen?“, fragte der alte Südtiroler Wirt, wir konnten die Frage auch nicht beantworten.
Abends übernachteten wir im komfortablen Gemeinschaftsquartier der Pederü-Hütte im Fanes-Nationalpark, die sich in überwältigend schöner Umgebung im Talschluss des Vigiltales befindet.
Am Morgen des 7. August, versuchten wir die steile Rampe der Schotterstraße zur Rifugio Fodara Vedla (1966 m) bezwingen. Schon kurz nach der Pederü-Hütte stürzten, unter den Augen des Begleitteams, einige E-Biker in einer Kettenreaktion, gottseidank glimpflich. Man entschied sich, hinabzufahren und noch einmal Anlauf zu nehmen. Der größte Teil der Strecke musste aber im Schiebemodus bewältigt werden. Nach einer kurzen Pause im Rifugio, erfolgte eine rasant steile Abfahrt, die unsere Bremsscheiben nahezu zum Glühen brachte, in Richtung Cortina. Halsbrecherisch mussten wir VW-Bus Taxis ausweichen, die italienischen Touristen auf die Almen hinauf shuttelten.
Nachdem wir zwei Pässe überwunden hatten (Rifugio Fodara Vedla und Passo Giau) galt es noch einen kurzen Gegenanstieg von nur! 200 Hm nach Zoldo Alto zu überwinden.
Ich hatte als E-Bike-Neuling bereits zweimal unter abenteuerlichen Bedingungen den Akku nachgeladen. Der ehemalige Kfz-Berufsschullehrer Manfred Dichtl erbat sich im noblen Ristorante ´Al Lago Ghedina´ eine freie Steckdose um dann flugs eine mitgebrachte 8-er Mehrfachsteckdose einzustecken, damit alle E-Biker, die dort ansonsten nichts konsumierten, ihre durstigen Akkus aufladen konnten. Auch auf der Hütte am Passo Giau wurden alle verfügbaren Steckdosen in der Küche und selbst auf den Toiletten angezapft.
Als ich kurz vor Zodlo Alto dachte, der Anstieg wird nun zum Abstieg, zeigte mir das Display die vollständige Entleerung meines Akkus. Zusätzlich erschien zu meiner besonderen Freude das Verkehrsschild „Pericoloso 6 Tornante“. (Vorsicht sechs Spitzkehren!). Ich schnaufte das E-Bike ohne Strom drei Kehren mit eigener Kraft hinauf. Dann war ich gezwungen die restlichen drei Kehren im klassischen Schiebemodus hinaufzuwuchten. Der ´kurze´ Gegenanstieg entpuppte sich als Passo Staulanza, 1700 Meter Höhe, Pass Nr. drei der Kaiseretappe. 2200 Hm waren nun bewältigt. Mit großem Hallo empfing mich die Gruppe in Zoldo Alto beim abendlichen Litro Vino Bianco.

Motorüberhitzung bei 27% Steigung

Am nächsten Tag begaben wir uns über den Passo Duran (1601m), der in unserem jetzigen Trainingszustand souverän bewältigt wurde, ins Valle Agordo. Dann folgten wir in der mediterranen Hitze der Piave nach Feltre, wo wir in einem kleinen Hotel nächtigten, das wir schon vor zwei Jahren besucht hatten. Wieder konnten wir die legendäre Küche der Region Veneto genießen, diesmal wegen eines kräftigen Wolkenbruches leider im Speisesaal.
Nun galt es den Monte Grappa zu bewältigen. Der Monsterberg (1500 hm) forderte Mensch und Material aufs Höchste heraus. „Is des schee!“ meinte Hans Reich mit bitterer Ironie als er sich die endlosen Kehren hinaufquälte.
Der Extrem E-Biker Johann Prinz wählte für den Aufstieg geschichtsträchtig den Artillerie-Trail aus dem 1. Weltkrieg. Ähnlich wie damals die Protzengäule überhitzte seine Antriebsturbine. 27 % waren anscheinend doch zu viel! Friedeman Aigner holte sich eine ordentliche Fleischwunde als er nach 1500 Hm Aufstieg einen kräftigen Schluck aus der Radflasche nehmen wollte und dabei das Anhalten vergaß.
Der Gipfel des Monte Grappa hüllte sich diesmal in Wolken und verdeckte die Sicht nach Venedig. Einige Teilnehmer besichtigten die Kriegerdenkmäler der großen Schlachten vor 100 Jahren im ersten Weltkrieg. Aufgrund der Bewölkung wärmten wir uns im Gipfelrestaurant auf, wo in Glasvitrinen zahlreiche Fundstücke der damaligen Kampfhandlungen zu sehen waren.
Die folgende grandiose Abfahrt in die venezianische Tiefebene brachte einige Tücken mit sich. Andreas Ludwig fuhr einen Platten und mir riss eine Speiche, als ich mich mit durch Pasta erhöhten Kampfgewicht in die Kurve legte. Franz Partenhauser meinte, jetzt hätte das Radl passend zum Fahrer einen Schlag! Die Abfahrt endete direkt am Augustiner-Stüberl (!) in Bassano del Grappa. Dort wurde lautstark das Ende der Tour gefeiert, selbst die Aufforderungen Rudi Keils zur Mäßigung verhallten wirkungslos...
Zum Abschluss der Tour intonierten wir dann beim Essen von norditalienischen Spezialitäten wie Steinpilzpizza und Trüffelpasta, ein von Johann Prinz genial getextetes Lied. Zur Melodie von `Über den Wolken´ von Reinhard May werden dort die VLB- Alpencrosser mit ihrem Guide Horst besungen. Die Aufnahme des Songs wird demnächst als aussichtsreicher deutscher Beitrag zum Eurovision Song Contest 2019 eingereicht.
Alles ging wieder einmal gut, Friedeman Aigner war durch unsere Tourmedizinerin Dr. Angelika Buchner, fachmännisch verbunden worden und gesellte sich zur zufriedenen und über die erbrachten Fahrleistungen glücklichen Gruppe. 9330 Höhenmeter und 416 Kilometer waren vollbracht.
Der Dank aller Radler gebührt wieder einmal Horst Grünewald für die Auswahl der Strecke und der schönen Quartiere. Auch das Ehepaar Dichtl und Regina Stahl, die mit den Fahrzeugen die Tour begleiteten und per Funk die Gruppe zusammenhielten, können nicht hoch genug gelobt werden. Dank auch an Wolfgang Ludwig, der als erfahrener Mountainbiker trotz vorübergehender gesundheitlicher Beeinträchtigung am zweiten Tag angereist war, um mit seinen Kenntnissen über Tourenplanung und Mountainbiking die Gruppe zu beraten.
Das Motto auch diesmal: „Alles wird gut!“

Der nächste Alpencross findet vom 4.-10. August 2019 statt und führt von Füssen nach Riva del Garda. Anmeldungen an gruenewald.h@web.de