14. Juli 2020

13. Digitaler Unterricht: „Rolle vorwärts und Salto bitte! – Hatte ich noch nie gemacht.“

  • Abb. Aufgaben in Teams
  • Abb. ScrumBlr
  • Abb. oCam
  • Abb. Captura
  • Abb. Shotcut

Christian Schober ist Lehrer an der staatlichen Berufsschule 1 in Passau. Er unterrichtet Fachinformatiker, IT-Kaufleute und Schüler der Fachschule für Maschinenbautechnik. Ein Erfahrungsbericht der letzten zwei Monate im Umgang mit digitalem Unterricht.

Was tun Sie, die Lehrer, nun in der unterrichtsfreien Zeit? Keine Frage, zu Beginn der Pandemie war es ein Schock: Keine Schule mehr! Das, was man sich als Schüler selbst herbei sehnte, ist nun eingetreten. Der Shut down war da und keiner wusste so richtig, wie sich das anfühlt. Nun, im Juni 2020, wissen wir was Shut down ist. Die Folgen haben wir bereits kennengelernt bzw. werden wir noch erleben. Aber wie hat sich der Unterricht bereits verändert? Sicher völlig individuell, wie es die Rahmenbedingungen der Schule und die technische Ausstattung der Schüler bzw. Auszubildenden zulassen. Die sichere Basis für gleiche Rahmenbedingungen mussten wir verlassen und dürfen seit kurzem, die Schule, erst wieder betreten.

Die Fragen sind für Präsenzunterricht wie für Online-Unterricht gleich: ① Wie motiviere ich die Schüler? ② Wie schafft es der Lehrer zu fordern und nicht zu überfordern? ③ Wie können Lerninhalte vermittelt, vertieft und kontrolliert werden?

  1. Schüler zu motivieren und das evtl. noch individuell, ist die Königsdisziplin, unseres täglichen Tuns. Nach Schulz von Thun und dessen Kommunikationsquadrat besteht der Inhalt einer Botschaft aus Sachinformation, Selbstkundgabe, Beziehungshinweis und den Appell. Wir stehen vor der Herausforderung, diese nun auf die Ebene der digitalen Medien zu übertragen. Dabei wird sofort klar, lediglich der visuelle und der auditive Kanal kann zur Wahrnehmung angesprochen werden. Der kinästhetische (fühlen), der olfaktorische (riechen) oder gar der gustatorische (schmecken) Sinneskanal kann zur Übertragung von Information mittels moderner Medien bis dato nicht genutzt werden.

    Damit sind die Einschränkungen offenkundig, es kann z.B. kaum der Geschmack einer Wurst übermittelt oder die Rauigkeit eines Brettes erfühlt werden.

    Die Chance liegt im „machen lassen“, d.h. die Schüler in Einzel- oder Teamarbeit ein Projekt starten lassen, und auf diesem Weg die Stärken der Digitalisierung ausspielen. Wissen ist in seiner Vielfalt vorhanden, Ideen und viele Anregungen sind im Internet zu finden. Pläne können mittels Software konstruiert und visualisiert werden, Steuerungen von Schaltvorgängen programmiert und die Projekte können mithilfe von eigens erstellten Videos mit anderen Klassenkameraden geteilt werden, was gegenseitig motivierend wirkt. Der Lehrer schlüpft dabei in seine neue Rolle als Coach, Moderator und Team Builder[1].
     
  2. Um die Schüler richtig fordern und dabei nicht überfordern zu können, ist die Abstufung in Schwierigkeitsgraden nötig. Ein vom Lehrer bereitgestelltes Grundwissen als Basis für alle Schüler wird dabei vorausgesetzt. Die Umsetzung kann in Aufgabenblöcke unterteilt erfolgen. Der erste Teil stellt das Basiswissen in Form von Informationstexten und Erklärvideos bereit. Der zweite Teil, kleine Übungsaufgaben, soll das Wissen in der Anwendung sichern. Der letzte Kick, Wissen zu vertiefen und zu spezialisieren, erfolgt in der jeweiligen Projektarbeit der Teams, dem dritten Teil der Aufgabenserie.

    >> siehe Abb. Aufgaben in Teams
     
  3. Pro Aufgabenblock werden Fragen und Lösungen der Schüler in gemeinsamen Videochats besprochen, welche in der Abschlussbesprechung und der Vorstellung der Projekte final endet. Zudem erhält jeder Schüler für jede abgegebene Lösung sein individuelles Feedback zum Aufgabenblock. Die Teams lassen sich z.B. fördert in dem Projektmanagement-Tools, wie ScrumDesk[2], MS Project oder noch simpler mit scrumblr[3] dazu verwendet werden, dass Projekte selbständig in Teilaufgaben unterteilt und visualisiert für alle dargestellt werden.[4] Bei ScrumBlr[5], ein virtuelles Whiteboard, genügt es einen gemeinsamen Board Namen zu überlegen, wie z.B. „Rasbi-II“, und schon kann jeder Teilnehmer am Scrum Board ohne Anmeldung arbeiten und den Projektstatus modifizieren.

    >> siehe Abb. ScrumBlr
     
  4. What do we need? Hard- und Softwareausstattung.

    I.      Videochat Tools
    Als Basis für einen digitalen Unterricht benötigt man eine Plattform für Besprechungen, Notizen, Datenaustausch und zur Aufgabenverteilung die eine Zusammenarbeit via Internet ermöglicht. Neben Mebis, was einen Webchat bis zu 6 Personen zur Verfügung stellt[6], gibt es hier zahlreiche kommerzielle Hilfsmittel die die nachfolgende Tabelle gegenüberstellt.

    >> siehe Tabelle: kostenlose Videochat-Tools

    II.    Screen Capture / Software zur Bildschirmaufnahme
    Erklärvideos lassen sich gut erstellen, indem Programme, Texte usw. auf den eigenen Desktop projiziert werden und der Lehrer per Mikro die einzelnen Schritte und Hintergrundinformationen erläutert. Um den eigenen Desktop mit Ton aufnehmen zu können, müssen Sie in der Regel kein Geld ausgeben, es gibt genügend kostenlose Bildschirmrekorder. Beispielhaft sind hier als Freeware Tools genannt: oCam, Open Broadcaster Software Studio, Captura 8.0, eLecta Sreen Recorder 1.2 oder Monosnap 3.3.0 Experience.[8]

    >> siehe Abb. oCam
    >> siehe Abb. Captura

    III.  Videobearbeitung / Videoschnitt
    Auch der Beste wird am Ende seines Erklärvideos evtl. die eine Passage aus dem Film nehmen, die Videos in mehrere Teile aufteilen oder das Datenformat ändern, was einer Videobearbeitungssoftware bedarf. Als angemessen bzw. für die Schüler leicht verdaulich hat sich eine Videodauer von 10 bis 20 min herauskristallisiert. Ein kostenloser Video Editor ist z.B. Shotcut.org, welcher alle nötigen Funktionalitäten bietet und zudem ein deutschsprachiges Manual anbietet. Ein ebenso kostenloses Schnittprogramm für Amateure und Engagierte ist FXhome HitFilm Express 14[9]. Profitools bieten mehr, kosten aber, für Einsteiger sei das Corel Video Studio Pro 2020[10] oder für Fortgeschrittene das Corel Pinnacle Studio 23 Ultimate genannt, alle Programme sind für ca. 50 EURO im Handel erhältlich.[11]

    >> siehe Abb. Shotcut

    IV.  Hardwareumgebung
    Zum Einsatz kamen Microsoft Teams im Office 365 Paket in Kombination mit oCam und Captura zur Bildschirmaufnahme und Shotcut sowie HitFilm Express als Schnittprogramme, auf je folgender Hardware-Konfiguration:
  • Windows 7 Pro
  • Arbeitsspeicher: 8 Gigabyte RAM
  • Prozessor: Intel Core 2 Quad Q9550 mit 2,8 GHz
  • Grafikeinheit: NVIDIA GeForce GT
  • SSD-Festplatte
  • Windows 10 Pro
  • Arbeitsspeicher: 8 Gigabyte RAM
  • Prozessor: Intel Core i5-6500T mit 2,5 GHz
  • Grafikeinheit: Intel-HD-530 onBoard
  • SSD-Festplatte

5. Wie empfinden die Schüler digitalen Unterricht?

Im Rahmen einer Individualfeedback-Umfrage antworteten 99 Schüler auf die Fragen wie folgt:

  • Wie wollen Sie die Aufgaben gestellt bekommen?
  • Wie empfinden Sie das Arbeiten in der digitalen Umgebung?
  • Die Anzahl der gestellten Aufgaben ist meiner Meinung nach …
  • Können Sie sich vorstellen, dass Unterricht längerfristig als digitaler Unterricht fortgeführt wird?

    >> siehe Auswertungen

[1] Vgl. „Digitaler Unterricht. Rolle der Lehrer anders denken“, c’t 2020, Heft 8; S. 13, Heise Medien GmbH & Co. KG

[2] Download und Infos unter: www.scrumdesk.com

[3] Download und Infos unter:  http://scrumblr.ca/

[4] Weitere Infos unter usefyi.com/scrum-board/

[5] Weitere Freeware Project Management Tools unter: usefyi.com/templates/planning-templates/

[6] Vgl. www.mebis.bayern.de/infoportal/tutorials/lernplattform-a-e/chat/chat-anlegen/; 06.06.2020

[7] Vgl. „Gratis-Videofone“, c’t 2020, Heft 10; S. 79, Heise Medien GmbH & Co. KG

[8] Vgl. www.chip.de/news/Desktop-mit-Ton-und-Video-aufnehmen-Die-besten-Gratis-Bildschirmrekorder_93976623.html; 06.06.2020

[9] Vgl. „Tapferes Schneiderlein“, c’t 2020, Heft 12; S. 722ff, Heise Medien GmbH & Co. KG

[10] Weitere Infos unter: www.netzsieger.de/p/corel-videostudio; 06.06.2020

[11] Vgl. „Schneiderei“, c’t 2019, Heft 6; S. 142ff, Heise Medien GmbH & Co. KG