12. Januar 2020

Thema des Tages 2

Innovative Ideen im bewährten Rahmen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

vor einiger Zeit gab es im Landtag von Schleswig-Holstein eine Diskussion über künstliche Intelligenz. Christopher Vogt (FDP) sagte dazu: „Es gibt nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Die Industrie wird sich so stark verändern wie seit über 100 Jahren nicht mehr. Man muss fundierter an das Thema gehen. Neben künstlicher Intelligenz sollten wir auch die natürliche Intelligenz im Land fördern.“

 

Dieser Anspruch, nicht nur die künstliche, sondern auch die natürliche Intelligenz zu fördern, passt genau zu unserer  Gesamtsituation  in  den  beruflichen Schulen. Es muss doch unsere wichtigste Aufgabe sein, unseren Schülerinnen und Schülern etwas beizubringen. Neben den fachlichen Inhalten ist es die unabdingbare Aufgabe unserer Lehrkräfte, die Schülerinnen und Schüler auch sozial, methodisch,  persönlich  und  selbstverständlich auch im Umgang mit digitalen Medien zu bilden.

All das gehen wir fundiert an und ist in den  didaktischen  Jahresplanungen  niedergeschrieben.   Wir   gehen   auf   unsere   Schülerinnen  und  Schüler  ein,  erfassen ihre Stärken und Schwächen und reagieren flexibel, um alle bestmöglich zu fördern und zu fordern.

Warum  sollen  die  Lehrkräfte  immer wieder neue Konzepte neben der didaktischen Jahresplanung und dem Medienkonzept entwickeln?

Es gibt mit Sicherheit keinen Berufsbildner, der sich über zu wenig Arbeit beklagt. Schon kurz nach Schuljahresbeginn folgen die ersten Gesellen- bzw. Facharbeiterprüfungen: Im Dezember finden die ersten Facharbeiterprüfungen Teil 2 der IHK statt, gefolgt im Januar und Februar von den HWK-Prüfungen. Dann folgen im März die Gesellenprüfungen Teil 1 IHK, im April  verstärkt  die  Leistungsnachweise erstellen und korrigieren und schon geht es im Mai mit der (vorzeitigen) Facharbeiterprüfung IHK, im Juni Gesellenprüfung Teil 1 HWK und im Juli Gesellenprüfung Teil 2 HWK weiter.

Zunehmende Herausforderungen im Lehreralltag

Nebenbei stehen noch QmbS, Medienkonzept,  die  Fortbildungsoffensive  Bayern, schulinterne, regionale und überregionale Fortbildungen, Schulentwicklung, externe und interne Evaluation, Vertretungen, Korrekturen, Vorbereitungen und, und, und... immer wieder auf der Tagesordnung.

Sie spüren es täglich: Die Arbeitsbelastung wird immer größer und es wird immer  mehr  „draufgepackt“!  Seit  nunmehr über 7 Jahren arbeite ich für die Interessen der Kolleginnen und Kollegen im  Geschäftsführenden  Vorstand  des VLB.  Von  allen  Kultusministern  wurde immer  wieder  versprochen,  dass  nun endlich  mal  „Ruhe  eintreten“  wird  und die  Lehrkräfte  sich  den  Kernaufgaben wieder  verstärkt  zuwenden  können. Doch kaum ist ein Konzept durch, folgt schon  das  nächste.  Nein,  Ruhe  ist  das wahrlich nicht, ganz im Gegenteil: Wurde beispielsweise die externe Evaluation erst  ausgesetzt,  so  läuft  sie  nun  leicht verändert wieder weiter.

Natürliche Intelligenz der Schüler fördern

Unsere  Lehrkräfte  an  den  beruflichen Schulen  benötigen  dringend  diese  versprochene  Ruhe,  um  den  von  Politik, Wirtschaft  und  Gesellschaft  eingeforderten  Bildungsauftrag,  die  „natürliche Intelligenz“  unserer  Schülerinnen  und Schüler  individuell  zu  fördern  und  zu fordern, zu erfüllen. Wir brauchen endlich eine spürbare Reduzierung der Arbeitsbelastung.  Die  Umsetzung  einer jahrzehntelangen Forderung des VLB, die Unterrichtspflichtzeit  für  alle  Lehrkräfte an beruflichen Schulen auf 23 Stunden festzusetzen, wäre eine notwendige und richtige Maßnahme. Die beruflichen Schulen  benötigen  mehr  Ressourcen, um die digitale Transformation auch zur Stärkung unseres Wirtschaftsstandortes Bayern  umzusetzen.  Dabei  darf  keiner unserer  Auszubildenden  und  unserer Schülerinnen und Schüler „auf der Strecke“ bleiben.

Nicht zu unterschätzen ist, dass man dem  eigenen  Anspruch,  der  Erwartung der  Jugendlichen  und  der  Ausbildungsbetriebe nicht gerecht werden kann. Eine Entlastung  und  Schutz  vor  Burn-out  ist auch, Jugendliche mit den Möglichkeiten des  Wahlunterrichts  und  entsprechender Sprachförderung ausreichend auf ihr künftiges Leben vorzubereiten.

Verantwortungsbewusster Umgang mit zeitgemäßer Technologie.

All  das  ist  nicht  mit  „künstlicher  Intelligenz“ zu ersetzen. Dazu braucht es „natürliche Intelligenz“ nämlich die von unseren Schülerinnen und Schülern und natürlich von uns Lehrerinnen und Lehrern.

Dies bedeutet nicht, dass wir die neuen Herausforderungen der Digitalisierung vernachlässigen wollen. Im Gegenteil: Wir wollen und müssen diese pädagogischen und technischen Herausforderungen verantwortungsbewusst umsetzen.

Dazu wünsche ich mir auch mehr Vertrauen  in  unser  bewährtes  berufliches Schulsystem. Die Qualität des Unterrichts steigt nicht durch ständig neue Konzepte, sondern durch unsere Lehrkräfte, die mit innovativen  Ideen  den  notwendigen  „frischen  Wind“  in  die  Klassenzimmer  und Werkstätten  bringen.  Diese  Lehrkräfte benötigen zeitliche Freiräume, um kreativ die Zukunft der Ausbildung zu gestalten. Die Umsetzung kann nicht auf dem Papier stattfinden, sondern muss in Präsenzfortbildungen weiter vorangetragen werden.

Zur Umsetzung dieser vielfältigen Aufgaben braucht es aber zupackende Lehrkräfte, die nicht bereits jetzt schon „über dem Limit“ arbeiten!

Abschließend  hoffe  ich,  dass  Sie  alle zumindest  privat  zur  Ruhe  gekommen und gut, vor allem gesund, das neue Kalenderjahr  begonnen  haben.  Achten  Sie auch 2020 auf Ihre Gesundheit, denn nur so können wir die kommenden Herausforderungen gemeinsam bewältigen.

Es grüßte Sie herzlich

Ihr Christian Wagner
Stellvertretender Landesvorsitzende