Thema des Tages 2
Innovative Ideen im bewährten Rahmen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor einiger Zeit gab es im Landtag von Schleswig-Holstein eine Diskussion über künstliche Intelligenz. Christopher Vogt (FDP) sagte dazu: „Es gibt nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Die Industrie wird sich so stark verändern wie seit über 100 Jahren nicht mehr. Man muss fundierter an das Thema gehen. Neben künstlicher Intelligenz sollten wir auch die natürliche Intelligenz im Land fördern.“
Dieser Anspruch, nicht nur die künstliche, sondern auch die natürliche Intelligenz zu fördern, passt genau zu unserer Gesamtsituation in den beruflichen Schulen. Es muss doch unsere wichtigste Aufgabe sein, unseren Schülerinnen und Schülern etwas beizubringen. Neben den fachlichen Inhalten ist es die unabdingbare Aufgabe unserer Lehrkräfte, die Schülerinnen und Schüler auch sozial, methodisch, persönlich und selbstverständlich auch im Umgang mit digitalen Medien zu bilden.
All das gehen wir fundiert an und ist in den didaktischen Jahresplanungen niedergeschrieben. Wir gehen auf unsere Schülerinnen und Schüler ein, erfassen ihre Stärken und Schwächen und reagieren flexibel, um alle bestmöglich zu fördern und zu fordern.
Warum sollen die Lehrkräfte immer wieder neue Konzepte neben der didaktischen Jahresplanung und dem Medienkonzept entwickeln?
Es gibt mit Sicherheit keinen Berufsbildner, der sich über zu wenig Arbeit beklagt. Schon kurz nach Schuljahresbeginn folgen die ersten Gesellen- bzw. Facharbeiterprüfungen: Im Dezember finden die ersten Facharbeiterprüfungen Teil 2 der IHK statt, gefolgt im Januar und Februar von den HWK-Prüfungen. Dann folgen im März die Gesellenprüfungen Teil 1 IHK, im April verstärkt die Leistungsnachweise erstellen und korrigieren und schon geht es im Mai mit der (vorzeitigen) Facharbeiterprüfung IHK, im Juni Gesellenprüfung Teil 1 HWK und im Juli Gesellenprüfung Teil 2 HWK weiter.
Zunehmende Herausforderungen im Lehreralltag
Nebenbei stehen noch QmbS, Medienkonzept, die Fortbildungsoffensive Bayern, schulinterne, regionale und überregionale Fortbildungen, Schulentwicklung, externe und interne Evaluation, Vertretungen, Korrekturen, Vorbereitungen und, und, und... immer wieder auf der Tagesordnung.
Sie spüren es täglich: Die Arbeitsbelastung wird immer größer und es wird immer mehr „draufgepackt“! Seit nunmehr über 7 Jahren arbeite ich für die Interessen der Kolleginnen und Kollegen im Geschäftsführenden Vorstand des VLB. Von allen Kultusministern wurde immer wieder versprochen, dass nun endlich mal „Ruhe eintreten“ wird und die Lehrkräfte sich den Kernaufgaben wieder verstärkt zuwenden können. Doch kaum ist ein Konzept durch, folgt schon das nächste. Nein, Ruhe ist das wahrlich nicht, ganz im Gegenteil: Wurde beispielsweise die externe Evaluation erst ausgesetzt, so läuft sie nun leicht verändert wieder weiter.
Natürliche Intelligenz der Schüler fördern
Unsere Lehrkräfte an den beruflichen Schulen benötigen dringend diese versprochene Ruhe, um den von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eingeforderten Bildungsauftrag, die „natürliche Intelligenz“ unserer Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern und zu fordern, zu erfüllen. Wir brauchen endlich eine spürbare Reduzierung der Arbeitsbelastung. Die Umsetzung einer jahrzehntelangen Forderung des VLB, die Unterrichtspflichtzeit für alle Lehrkräfte an beruflichen Schulen auf 23 Stunden festzusetzen, wäre eine notwendige und richtige Maßnahme. Die beruflichen Schulen benötigen mehr Ressourcen, um die digitale Transformation auch zur Stärkung unseres Wirtschaftsstandortes Bayern umzusetzen. Dabei darf keiner unserer Auszubildenden und unserer Schülerinnen und Schüler „auf der Strecke“ bleiben.
Nicht zu unterschätzen ist, dass man dem eigenen Anspruch, der Erwartung der Jugendlichen und der Ausbildungsbetriebe nicht gerecht werden kann. Eine Entlastung und Schutz vor Burn-out ist auch, Jugendliche mit den Möglichkeiten des Wahlunterrichts und entsprechender Sprachförderung ausreichend auf ihr künftiges Leben vorzubereiten.
Verantwortungsbewusster Umgang mit zeitgemäßer Technologie.
All das ist nicht mit „künstlicher Intelligenz“ zu ersetzen. Dazu braucht es „natürliche Intelligenz“ nämlich die von unseren Schülerinnen und Schülern und natürlich von uns Lehrerinnen und Lehrern.
Dies bedeutet nicht, dass wir die neuen Herausforderungen der Digitalisierung vernachlässigen wollen. Im Gegenteil: Wir wollen und müssen diese pädagogischen und technischen Herausforderungen verantwortungsbewusst umsetzen.
Dazu wünsche ich mir auch mehr Vertrauen in unser bewährtes berufliches Schulsystem. Die Qualität des Unterrichts steigt nicht durch ständig neue Konzepte, sondern durch unsere Lehrkräfte, die mit innovativen Ideen den notwendigen „frischen Wind“ in die Klassenzimmer und Werkstätten bringen. Diese Lehrkräfte benötigen zeitliche Freiräume, um kreativ die Zukunft der Ausbildung zu gestalten. Die Umsetzung kann nicht auf dem Papier stattfinden, sondern muss in Präsenzfortbildungen weiter vorangetragen werden.
Zur Umsetzung dieser vielfältigen Aufgaben braucht es aber zupackende Lehrkräfte, die nicht bereits jetzt schon „über dem Limit“ arbeiten!
Abschließend hoffe ich, dass Sie alle zumindest privat zur Ruhe gekommen und gut, vor allem gesund, das neue Kalenderjahr begonnen haben. Achten Sie auch 2020 auf Ihre Gesundheit, denn nur so können wir die kommenden Herausforderungen gemeinsam bewältigen.
Es grüßte Sie herzlich
Ihr Christian Wagner
Stellvertretender Landesvorsitzende