Dr. Siegfried Hummelsberger
VLB-Vorstand zu Besuch bei Minister Piazolo: „Wir müssen uns auf alles einstellen!“
Kurzfristig ergab sich für den VLB-Vorstand am Donnerstag der ersten Ferienwoche die Möglichkeit eines Gesprächs mit dem bayerischen Schulminister Michael Piazolo (Freie Wähler). Bei dem einstündigen Gedankenaustausch war auch der Leiter der Abteilung Berufliche Schulen, Ministerialdirigent German Denneborg, anwesend. Natürlich dominierte das Thema „Cororna“ und die Frage, wie es im neuen Schuljahr weitergehen soll.
„Auch wenn wir beabsichtigen, im Regelbetrieb mit Hygieneauflagen zu starten, erwartet niemand bei uns im Haus ein normales Schuljahr. Wir müssen uns auf alles einstellen“, machte der Minister gleich zu Beginn klar. Ausdrücklich bedankte sich der Minister bei den Schulleitungen und Kollegien der beruflichen Schulen in Bayern für die große Flexibilität, Kreativität und den enormen Einsatz in der Pandemie-Krise: „Im Gegensatz zu den anderen Schularten habe ich bei den beruflichen Schulen nur wenig Klagen gehört. Wahrscheinlich haben sie die Herausforderungen mit am besten bewältigt.“
Besprochen wurden selbstverständlich die vier möglichen Szenarien, die durch das Ministerium ja bereits angekündigt wurden – vom fast normalen Betrieb bis hin zum kompletten Lock-Down einzelner Schulen oder des ganzen Systems in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen. Der Minister kündigte an, dass über den August entsprechende Hygiene-Konzepte erarbeitet würden. Festlegungen jedweder Art, so Piazolo, seien jedoch zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht.
Nachvermittlung im Ausbildungsmarkt „bis mindestens Dezember“ erwartet
Der VLB-Vorsitzende Pankraz Männlein betonte, wie schwierig unter diesen Bedingungen die Planungen für das kommende Schuljahr seien: „Uns fehlen alle wesentlichen Eckpunkte.“ Zudem, so waren VLB und Ministerium sich einig, ist der Ausbildungsmarkt durch die Krise heftig beeinträchtigt. Noch sind die Vermittlungszahlen der zurückliegenden Jahre bei Weitem nicht erreicht, in einigen Regionen ist der Rückgang bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen eklatant. Allerdings ist damit zu rechnen, dass es nicht zuletzt durch die auch vom VLB geforderte Ausbildungsprämie bis weit in das neue Ausbildungsjahr hinein zu Einstellungen kommen wird. Diese Tatsache, so der VLB, müsse bei den Klassenbildungen und in Hinblick auf die Oktober-Statistik berücksichtigt werden. Pankraz Männlein schlug vor, dass analog zu den Wirtschaftsschulen eine Klassenbildung bereits ab 10 Auszubildenden möglich sein sollte.
„Planen Sie auf Basis der Zahlen in den letzten zwei Jahren!“
Dieses Ansinnen sei jedoch sicherlich nicht auf das Gesamtsystem der beruflichen Schulen übertragbar, meinte das Ministerium – allerdings sehe man die Planungsschwierigkeiten durchaus; und Minister Piazolo und Ministerialdirigent Denneborg erkennen natürlich die zugrunde liegende Problematik. Sie schlugen für die Planungen folgendes Vorgehen vor: „Planen Sie in etwa so, wie es ohne die Krise auf Grund der Erfahrung aus den letzten Jahren gewesen wäre, aber berücksichtigen Sie dabei auch strukturelle Änderungen.“ Mit einer gewissen Flexibilität hinsichtlich der Klassenbildungen sei durchaus zu rechnen, konkrete Vorgaben aber möge man nicht machen, denn die regionalen und sektoralen Unterschiede seien groß und müssten berücksichtigt werden.
„Ein Schub für die Digitalisierung“
Im Gegensatz zu der völlig unerwartbaren Krisensituation im Frühjahr erwarte die Öffentlichkeit, so der Minister, dass die Schulen im Herbst in der Lage seien, mit der Krise umzugehen. Dazu müssen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Bayern und der Bund würden erhebliche Summen in die Digitalisierung investieren, entsprechende Fortbildungsangebote würden aufgebaut und auch die kommunalen Sachaufwandsträger seien hier in der Pflicht. Der VLB widersprach dem nicht, wies aber darauf hin, dass auch die räumlichen Möglichkeiten und das Personal begrenzende Faktoren seien. Man könne nicht verlangen, dass quasi jede Unterrichtsstunde zweimal gehalten werde, einmal im Präsenzunterricht und einmal im Distanzunterricht für die jeweils fehlenden Schüler*innen. In diesem Zusammenhang warnte der VLB eindringlich davor, weniger Einstellungen durchzuführen: „Die vereinbarte, sukzessive Stellenmehrung muss mehr denn je umgesetzt werden.“
Nachbesserungen beim Masernschutz nötig
Eine Stunde ist nicht viel Zeit und so konnten verschiedene andere Themen nur noch kurz angerissen werden. Aus den Reihen des VLB-Vorstands wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass die Vielzahl und der schiere Umfang an ministeriellen Schreiben und Erlassen in den letzten Monaten kaum noch zu überblicken gewesen sei. Ein weiteres Problem sieht der VLB bei der Umsetzung des Masernschutz-Gesetzes. Es verursacht nicht nur ganz erheblichen administrativen Aufwand, sondern weise zudem ein massives inhaltliches Problem auf, da Nicht-Berufsschulpflichtige ohne ausreichenden oder unklaren Masernschutz im Gegensatz zu Berufsschulpflichtigen gar nicht aufgenommen werden dürfen und auch nicht an die Gesundheitsämter zur weiteren Bearbeitung übermittelt werden.
Mehr Aufmerksamkeit für die berufliche Bildung
Trotz des knappen Zeitrahmens ist der VLB froh, dass sich der Minister – wenn auch spät – speziell für die berufliche Bildung und ihre Vertreter Zeit genommen hat. Bislang, auch das machte der VLB deutlich, fühlten sich die beruflichen Schulen sowohl bei der Kommunikation des Ministeriums als auch beim entsprechenden Medienecho, zu wenig berücksichtigt. „Ich glaube, dass wir uns mit unseren Leistungen nicht verstecken müssen und es wäre schön, wenn auch die Öffentlichkeit anerkennt, dass die beruflichen Schulen nicht nur im Normalbetrieb Spitze sind, sondern auch in der Krise“, betonte der Landesvorsitzende des VLB. Schließlich sei gerade das duale Ausbildungssystem der „hidden champion“ in der deutschen Schullandschaft.